Verflochtene Organsysteme

Gyn-Depesche 4/2022

Schilddrüsenerkrankungen nach Brustkrebs

Mammakarzinom-Patientinnen haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenerkrankungen inklusive maligner Tumore. Sie sollten daher regelmäßig entsprechende Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen.
An der Universität Messina wurde an einem Kollektiv von 294 Brustkrebs-Patientinnen geforscht, die sich zwischen 2010 und 2020 einer operativen (Mastektomie, Quadrantektomie) sowie adjuvanten Therapie unterzogen hatten. Alle Frauen hatten im Anschluss an die onkologische Behandlung mindestens einmal pro Jahr eine klinische, sonographische, biochemische sowie gegebenenfalls szintigraphische und bioptische Schilddrüsendiagnostik durchlaufen. 31 dieser Frauen (Durchschnittsalter 63 Jahre) entwickelten zwölf bis 95 Monate nach der Behandlung ihres invasiven Mammakarzinoms (im Schnitt nach 48 Monaten) eine Schilddrüsenproblematik; 29 davon unterzogen sich aufgrund dessen einer Thyreoidektomie. Die übrigen beiden Patientinnen entschieden sich für eine Pharmakotherapie ihres Morbus Basedow. Die histopathologische Aufarbeitung der Schilddrüsenpräparate ergab in 15 Fällen eine multinoduläre Kolloidstruma, in vier Fällen ein follikuläres Adenom und in zehn Fällen ein Schilddrüsenmalignom, darunter fünf papilläre Makro- und drei papilläre Mikrokarzinome sowie zwei follikuläre Karzinome. Eine histologisch bestätigte chronische lymphozytäre bzw. Hashimoto-Thyreoiditis stellten die Forschenden bei drei Frauen mit multinodulärer Kolloidstruma, bei zwei Frauen mit einem papillären Makrokarzinom sowie bei zwei Frauen mit einem follikulären Adenom fest.
Auch in der Literatur wird ein Zusammenhang zwischen dem Mammakarzinom und Schilddrüsenerkrankungen vermutet. Beispielsweise erkranken Brustkrebspatientinnen überproportional häufig an einem Schilddrüsenkarzinom und umgekehrt steigt nach der Diagnose eines Schilddrüsenmalignoms das Mammakarzinomrisiko. Welche Mechanismen diesen Beobachtungen zugrunde liegen, ist allerdings gegenwärtig noch unklar – diskutiert werden unter anderem biologische, genetische und Umwelteinflüsse. Hier besteht nach Ansicht der Autorinnen und Autoren weiterer Forschungsbedarf.
Trotz des relativ kleinen Studienkollektivs halten sie die Ergebnisse ihrer Untersuchung für praxisrelevant. Sie raten dazu, Brustkrebspatientinnen über das möglicherweise erhöhte Risiko für eine Schilddrüsenproblematik inklusive maligner Veränderungen aufzuklären und ihnen ein standardisiertes Screening anzubieten: Einmal pro Jahr sollten die Frauen – auch bei Beschwerdefreiheit – mindestens eine Ultraschalluntersuchung sowie eine biochemische Analyse der Schilddrüsenparameter erhalten. LO
Quelle: Fama F et al.: Development of Histologically Verified Thyroid Diseases in Women Operated for Breast Cancer: A Review of the Literature and a Case Series.
J Clin Med 2022; 11(11): 3154; doi: 10.3390/jcm11113154

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