Ärztin mit Handschuhen tastet Achselhöhle und Brust ihrer Patientin ab bei der Krebsvorsorge.

40. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie

Gyn-Depesche 6/2021

Was komplementäre Medizin in der Senologie leisten kann

Immer mehr Frauen möchten zu naturheilkundlich-komplementären Verfahren in der Brustkrebstherapie beraten werden. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) präsentierten Experten verschiedene Konzepte, wie die komplementäre Medizin und Pflege in die Regelversorgung integriert werden kann.
In der komplementären Medizin und Pflege (KMP) werden eine Vielzahl von Verfahren und Substanzen in erster Linie aus dem Bereich der Naturheilverfahren angewandt. Betont wurde, dass KMP-Verfahren unterstützend und ergänzend, nicht alternativ zur konventionellen onkologischen Therapie, eingesetzt werden. Viele Krebspatienten wünschen sich, dass naturheilkundlich-komplementäre Verfahren verstärkt eingesetzt werden – nicht zuletzt deshalb, weil eine positive Wirkung dieser Verfahren im Hinblick auf die Lebensqualität und Beschwerdeverbesserung wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte.
Prof. Claudia Witt vom Universitätsspital Zürich präsentierte Ergebnisse des Projekts KOKON-KTO, in dessen Mittelpunkt die Entwicklung eines Trainings für onkologisch tätige Ärztinnen und Ärzte zur Führung von komplementärmedizinischen Beratungsgesprächen stand, die sich in die alltägliche Arbeit integrieren lassen. Das aus E-Learning-Einheiten und Präsenzworkshops aufgebaute Lernkonzept wurde in einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten Studie mit 48 Ärztinnen und Ärzten evaluiert. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten die Patienten in der Trainingsgruppe aufgrund der verbesserten Arzt-Patienten-Kommunikation eine höhere Zufriedenheit sowie eine gesteigerte Bereitschaft zur Entscheidungsfindung. Auch schienen die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte mit dem Training zufrieden. Das KOKONKTO erwies sich somit nicht nur als lern- und implementierbar, sondern zudem als ressourcenorientiert und evidenzbasiert.
Prof. Stefanie Joos vom Universitätsklinikum Tübingen stellte das Studiendesign einer momentan an vier CCC (Comprehensive Cancer Centre)-Standorten in Baden-Württemberg anlaufenden Implementierungsstudie zur Verbesserung der Versorgung bzw. Beratung onkologischer Patienten zu KMP vor. Primärer Zielparameter ist die Patientenaktivierung, die anhand des validierten Fragebogens PAM-13 erhoben werden soll, welcher die aktive Beteiligung der Patienten am eigenen Gesundheitszustand und Selbstmanagement misst. Auf Patientenebene werden in der Interventionsgruppe drei Beratungen zu KMP innerhalb von drei Monaten angeboten, davon soll mindestens ein Kontakt persönlich und interprofessionell sein. Geplant sind Online- und Präsenz-Schulungen, Teamtrainings, Inter- und Supervision, 20 Themenleitfäden zu häufigen Beratungsanlässen, eine evidenzbasierte Wissensdatenbank und die Vernetzung mit existierenden Angeboten innerhalb der CCCs sowie der ambulanten Versorgungsebene.
 
Insomnie beim Mammakarzinom
Eine weitere Session zur integrativen Medizin in der Brustkrebsversorgung widmete sich dem Thema Insomnie. Denn: Eine krankheitswertige und behandlungsbedürftige Insomnie kann prognostisch relevant sein kann, wie Dr. Petra Voiß erklärte, Oberärztin der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte. So haben Studien gezeigt, dass die Mortalität von Brustkrebspatienten signifikant mit Schlafstörungen, Depression und der Kombination aus beidem korreliert. Auch scheinen Schlafstörungen mit einer höheren Metastasierungsrate assoziiert zu sein. Voiß verwies darauf, dass eine passagere Insomnie unter belastenden Ereignissen, die in den meisten Fällen darauf beruht, „nicht abschalten“ zu können, die Gefahr einer Chronifizierung birgt und deshalb nicht unbeachtet bleiben sollte. Insomnie bei einem Patienten ist sicherlich behandelbar, jedoch gibt es bisher nur wenige Therapieangebote für Betroffene. Empfehlenswert sind insbesondere Entspannungstraining, Mindfulness-Based Stress Reduction, kognitive Verhaltenstherapie, Yoga, Tai Chi, psychoonkologische Unterstützung und vor allem Bewegung.
 
Immunstimulanzien gegen Fatigue und Übelkeit
Prof. Matthias Kalder aus Marburg ging in einem weiteren Vortrag auf den Effekt von Immunstimulanzien in der Behandlung von Tumoren ein. Empfohlen werden kann die Traubensilberkerze zur Senkung menopausaler Symptome bei Patientinnen mit Mammakarzinom, Ginseng zur Verbesserung von Fatigue bei onkologischen Patienten, Ingwer in Pulverform (nicht als Tee!) zusätzlich zur leitliniengerechten antiemetischen Therapie bei Zytostatika-induzierter Übelkeit. Kalder verwies darauf, dass Johanniskraut in der Behandlung bei leichten und mittelschweren Depressionen konventionellen Medikamenten nicht unterlegen ist, jedoch bei Einsatz mögliche Wechselwirkungen mit anderen Therapien und Kontraindikationen zu beachten sind. GH
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