Im Fokus der DMG-Jahrestagung stand natürlich wie immer die Frau in den Wechseljahren mit all ihren Symptomen, Sorgen und Prädispositionen. Dies sollte aber kein Grund für Verzweiflung sein. Deswegen sorgte vor jeder Session ein musikalisches Pop-Intro für gute Laune und gab das jeweilige Motto wieder. Insgesamt stieß das vielfältige Programm auf so großes Interesse, dass rund 200 Ärztinnen und Ärzte der Einladung nach Frankfurt am Main gefolgt waren. Weitere knapp 200 folgten der Hybrid-Veranstaltung unter der Leitung von DMG-Präsidentin Dr. Katrin Schaudig, Hamburg, sowie den Tagungspräsidentinnen Prof. Dr. Petra Stute, Bern (Schweiz), und Dr. Annette Bachmann, Frankfurt, vom heimischen Rechner aus.
„We are the Champions“
Neben den beliebten pra xisrelevanten Work shops sowie den Frühstücksessions in kleiner E xperten-Runde wurde auch wieder die Vortragsreihe „Neues aus der Wissenschaf t“ durchgeführt und stieß auf großes Interesse. Eine ganze Reihe von jungen Wissenschaf tler :innen bewarben sich mit spannenden neuen Forschungsergebnissen um die Auszeichnungen für die besten Beiträge. Den ersten, mit 1.250 Euro dotierten Platz für her vorragende Beiträge zu spannenden neuen Forschungsergebnissen belegte Dr. Serena Loz za-Fiacco, Bern (Schweiz). Der zweite Platz und 750 Euro gingen an Dr. Marina Sourouni, Heidelberg, und den dritten Preis sowie 500 Euro erhielt Dr. Susanne Theis, Mainz. Die Preisgelder sowie die Reisestipendien wurden durch eine z weckgebundene Spende der Laborarztpraxis Rhein-Main MVZ GbR und der Besins Healthcare Germany GmbH ermöglicht .
„Help“ – Knifflige Fälle er folgreich therapieren
Nachdem dies bereits im letzten Jahr großen Anklang gefunden hatte, wurden auch bei der jetzigen Tagung wieder ausgewählte interessante Kasuistiken aus der Menopause-Sprechstunde vorgestellt . Beliebt war dies vor allem, da die Zuhörer anhand spezieller Problemstellungen wie Thromboserisiko oder Migräne konkrete Lösungsansätze für die tägliche Praxis erhielten.
„W hat have I done to deserve this“
Ohne nachgewiesenen Mangel haben laut Studien weder Wachstumshormone noch DHEA positive Effekte aufs Altern. Auch ist die Gabe von L-Thyroxin im Alter of tmals nicht notwendig und sogar schädlich und lediglich zur Senkung des individuellen kardiovaskulären Risikos und bei signifikanter TSH-Erhöhung empfohlen. DAS spezifische „ Altersgen“ gibt es nicht . Es gibt jedoch exogene Altersfaktoren, die man selbst bestimmen kann, wie eine gute Ernährung, ausreichend Bewegung sowie eine gesunde Psyche. Der menopausale Übergang stellt einen Risikofaktor für eine gestörte Insulinsensitivität, ein metabolisches Syndrom und den Typ-2-Diabetes dar. Eine Hormonersatztherapie (HRT) kann dazu beitragen, einen Diabetes zu verhindern und damit das durch ihn bedingte Sterberisiko an verschiedenen Erkrankungen zu vermindern.
„Insomnia“
Mögliche Folgen der chronischen Insomnie, der häufigsten Schlafstörung in den Wechseljahren, können Depression, Demenz sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Physiologische Messungen zeigen: Etwa 80 % der objektiven Hitzewallungen führen bei den Betroffenen zu einer Auf wachreaktion und ein Drittel der Wach-Episoden enthält eine Hitzewallung.
Bei den Schlafstörungen kann die Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (K V T-I) inklusive Psychoedukation, Schlafrestriktion sowie Verfahren zur körperlichen und gedanklichen Entspannung helfen. Neben dem Wissen über unter anderem die Schlafregulation und die Schlafarchitektur im Alter sind schlaf hygienische Regeln wichtig. Studien zufolge ist bei chronischen Schmerzen eine schlechte Schlafqualität ein Prädiktor für stärkere Schmerzen und umgekehrt . Zur Therapie sind die Behandlung der Komorbiditäten, die kog nitive Verhaltenstherapie, physiotherapeutische Übungen sowie eine medikamentöse Einstellung unerlässlich.
„This cor rosion“
Östrogen hat einen entscheidenden positiven Einfluss auf den Knochenstoff wechsel und die Knochendichte – auch noch bz w. insbesondere in der Postmenopause. So ist die frakturreduzierende Wirkung von Östrogenen und somit der Nutzen einer HRT zum Osteoporoseschutz bereits für sehr niedrige Hormondosen belegt. Bei vielen er wachsene Frauen mit PCOS bestehen schon vor der Menopause ungünstige metabolische Bedingungen, im Rahmen der Peri-Postmenopause steigt die Fettmasse weiter und damit auch das Risiko für Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und Karzinome. Unerlässlich ist eine Optimierung von Gewicht, Ernährung und Lebensstil. Frauen können ihrer Haut durch regelmäßigen UV-Schut z und Nikotinkarenz etwas Gutes zu tun. Zudem können topische Antioxidantien und Retinoide der natürlichen Hautalterung entgegenwirken. Bezüglich der androgenetischen Alopezie können neben topischem Minoxidil physikalische Maßnahmen wie Mesotherapie und Microneedling hilfreich sein.
„Herz ist Trumpf “
Wurde eine HRT bereits vor dem 60. Lebensjahr begonnen, kann diese problemlos weitergeführt werden, wenn keine Kontraindikationen (KI) vorliegen. Auch eine Neu-Einstellung bei Patientinnen 60+ müsste unter Berücksichtigung individueller Risikofaktoren gut indiziert sein. Ohne KI ist eine HRT-Dauer von fünf Jahren unstrittig; bei unauff älligen Kon trollen spricht nichts gegen eine Anwendung noch bis 70 Jahre und darüber hinaus. Nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gilt eine HRT als kontraindiziert . Mögliche Risikofaktoren für Thromboembolie, Schlaganfall und koronare Herzkrankheit müssen bei der Therapieabwägung generell abgeklärt und optimiert sein. Zudem ist der Neubeginn der Behandlung besonders risikoreich. Und: Unter oraler Therapie ist das kardiovaskuläre Risiko mit dem Alter eher erhöht als unter niedrigdosierter transdermaler Anwendung.
„You make me feel like a natural woman“
Viele Frauen in den Wechseljahren wollen aus Sorge vor möglichen gesundheitlichen Risiken keine Hormone nehmen. Umso wichtiger ist es, den Ängsten mit ausführlichen Informationen entgegenzuwirken, auch zu möglichen pflanzlichen Hormon-Alternativen wie E xtrakte von Mönchspfeffer, Traubensilberker ze oder Johanniskraut . Häufig bevorzugen Patientinnen „bioidentische“ Hormone, ohne jedoch die genaue Definition (gleiche chemische und molekulare Struktur wie die vom menschlichen Körper produzierten Hormone) zu kennen. Auch wissen sie nicht, dass viele in der Therapie eingesetzten Hormone diese Vorausset zung erfüllen, wie Progesteron, Estradiol und Estriol.
„Walking in my shoes“ in den Wechseljahren
Bei einer ADHS-Erkrankung im Er wachsenenalter leiden betroffene Frauen häufig unter Erschöpfung, Depressionen, Angst- oder Essstörungen. Zudem ist die Prävalenz von prämenstrueller Dysphorie, postpartaler Depression und von affektiven und kognitiven Beschwerden im Klimakterium erhöht. Therapie der Wahl sind Stimulanzen wie Methylphenidat, im Individualfall kann man eine HRT in Betracht ziehen. Eine körperliche Behinderung wie eine Querschnittlähmung stellt keine Kontraindikation für die Verschreibung einer HRT dar; das bevor zugte Therapieschema ist transdermales Östradiol in Kombination mit mikronisiertem Progesteron/Dydrogesteron. Nur bei sehr eingeschränkter Mobilität und/oder mit V TE-Vorgeschichte sollte eine Antikoagulation er wogen werden. Transgender- und non-binären Personen, die keine Hormone einnehmen, sollte man proaktiv nicht-hormonelle Behandlungsmöglichkeiten empfehlen. Bei Transgender-Personen ab dem 50. Lebensjahr wird die transdermale Östrogenanwendung der oralen vorgezogen. Und aufgrund der weiterhin bestehenden Inkongruenz der Geschlechtsidentität auch im Alter ist es oft nicht leicht, die Behandlung stets auf die Bedürfnisse und das individuelle Risikoprofil zuzuschneiden.
Fazit
Dass die DMG eine für Gynäkolog:innen relevante Fachgesellschaf t ist, zeigt sowohl die positive Resonanz auf die Tagung als auch die Tat sache, dass die Gesellschaf t auch in diesem Jahr wieder eine neue Rekordmitglieder zahl verzeichnen konnte: Mit knapp 2.900 Mitgliedern ist die DMG weiterhin die weltweit größte Menopausegesellschaft.
Jahrestagung der Deutschen Menopause Gesellschaft e. V.; Frankfurt am Main, 11. /12. November 2022 gyn-depesche.de/221386 ICD: N95