Nicht erkannte Schwangerschaft

Gyn-Depesche 6/2000

Wer haftet wann?

Eine 46-jährige Patientin gab gegen-über ihrem Gynäkologen an, dass ein von ihr selbst durchgeführter Schwangerschaftstest positiv ausgefallen sei. Daraufhin wurde sie vom Arzt, der mit einem anderen Frauenarzt eine Gemeinschaftspraxis betreibt, manuell untersucht sowie einem Slide-Test unterzogen; mit beiden Maßnahmen konnte jedoch keine Schwangerschaft festgestellt werden. Auch die an einen Pathologen gesandte Gewebeprobe ergab keinen Hinweis auf Spezifität oder Malignität, so dass der Patientin mitgeteilt wurde, es lägen keine Anzeichen für eine Schwangerschaft vor. Da die Monatsblutung weiterhin ausblieb, konsultierte die Patientin ihre Hausärztin, die eine Schwangerschaft vermutete und die 46-Jährige an einen anderen Frauenarzt überwies, der mittels Ultraschall eine Schwangerschaft in der 24. SSW diagnostizierte. Die in einer Uniklinik durchgeführte Untersuchung des Fetus auf chromosomale Schädigung fiel negativ aus. Die Patientin wurde via Sectio von einer Tochter entbunden, die an Trisomie 21 leidet. Die beiden in der Gemeinschaftspraxis tätigen Frauenärzte (Erst- und Zweitbeklagter) wurden von ihr gesamtschuldnerisch verpflichtet, den Unterhalt für das Kind incl. des behinderungsbedingten Mehrbedarfs zu ersetzen; ferner forderte die Klägerin vom Erstbeklagten Schmerzensgeld. Der BGH hielt die Klage für begründet, wobei das Urteil davon ausgeht, dass der Schaden auf einem Verschulden des Pathologen beruht. Die beklagten Ärzte haben sich aber "nicht des Pathologen zur Erfüllung ihrer gegenüber dem Patienten bestehenden ärztlichen Pflichten bedient und sind daher nicht für dessen Fehlleistung verantwortlich"; vielmehr haftet der Pathologe dem Patienten vertraglich für schuldhafte Fehlleistungen. Das Urteil geht weiter davon aus, dass auch der Erstbeklagte seine Pflicht bei der Befunderhebung verletzt hat und deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist. Ein überweisender Gynäkologe haftet, "wenn er seinerseits geschuldete und gebotene diagnostische Maßnahmen unterlässt". Auch der Zweitbeklagte muss für den Schaden einstehen, denn "die Mitglieder einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis, die gegenüber Kassenpatienten gemeinschaftlich auftreten, haften diesen vertraglich als Gesamtschuldner für die Versäumnisse des allein behandelnden Arztes". Ob dies auch für Privatpatienten zutrifft, hat der BGH offengelassen. (AH)

Eine 46-jährige Patientin gab gegen-über ihrem Gynäkologen an, dass ein von ihr selbst durchgeführter Schwangerschaftstest positiv ausgefallen sei. Daraufhin wurde sie vom Arzt, der mit einem anderen Frauenarzt eine Gemeinschaftspraxis betreibt, manuell untersucht sowie einem Slide-Test unterzogen; mit beiden Maßnahmen konnte jedoch keine Schwangerschaft festgestellt werden. Auch die an einen Pathologen gesandte Gewebeprobe ergab keinen Hinweis auf Spezifität oder Malignität, so dass der Patientin mitgeteilt wurde, es lägen keine Anzeichen für eine Schwangerschaft vor. Da die Monatsblutung weiterhin ausblieb, konsultierte die Patientin ihre Hausärztin, die eine Schwangerschaft vermutete und die 46-Jährige an einen anderen Frauenarzt überwies, der mittels Ultraschall eine Schwangerschaft in der 24. SSW diagnostizierte. Die in einer Uniklinik durchgeführte Untersuchung des Fetus auf chromosomale Schädigung fiel negativ aus. Die Patientin wurde via Sectio von einer Tochter entbunden, die an Trisomie 21 leidet. Die beiden in der Gemeinschaftspraxis tätigen Frauenärzte (Erst- und Zweitbeklagter) wurden von ihr gesamtschuldnerisch verpflichtet, den Unterhalt für das Kind incl. des behinderungsbedingten Mehrbedarfs zu ersetzen; ferner forderte die Klägerin vom Erstbeklagten Schmerzensgeld. Der BGH hielt die Klage für begründet, wobei das Urteil davon ausgeht, dass der Schaden auf einem Verschulden des Pathologen beruht. Die beklagten Ärzte haben sich aber "nicht des Pathologen zur Erfüllung ihrer gegenüber dem Patienten bestehenden ärztlichen Pflichten bedient und sind daher nicht für dessen Fehlleistung verantwortlich"; vielmehr haftet der Pathologe dem Patienten vertraglich für schuldhafte Fehlleistungen. Das Urteil geht weiter davon aus, dass auch der Erstbeklagte seine Pflicht bei der Befunderhebung verletzt hat und deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist. Ein überweisender Gynäkologe haftet, "wenn er seinerseits geschuldete und gebotene diagnostische Maßnahmen unterlässt". Auch der Zweitbeklagte muss für den Schaden einstehen, denn "die Mitglieder einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis, die gegenüber Kassenpatienten gemeinschaftlich auftreten, haften diesen vertraglich als Gesamtschuldner für die Versäumnisse des allein behandelnden Arztes". Ob dies auch für Privatpatienten zutrifft, hat der BGH offengelassen. (AH)

Quelle: Rieger, HJ: Wer haftet bei nicht erkannter Schwangerschaft?, Zeitschrift: DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT, Ausgabe 125 (2000), Seiten: 129-131

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