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14. Endometriosekongress deutschsprachiger Länder

Gyn-Depesche 3/2022

Zwerchfellendometriose, Uterusfehlbildungen und ein Speicheltest

Jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist von Endometriose betroffen. Trotzdem bleibt das Wissen zu der Erkrankung verschwindend gering. In den letzten Jahren hat die Endometriose jedoch sowohl in der Medizin als auch in der breiten Öffentlichkeit an Bekanntheit gewonnen. Immer mehr Forscher und Forscherinnen widmen sich dem Thema – einige der spannendsten Erkenntnisse wurden wie jedes Jahr im Rahmen des Endometriosekongresses präsentiert.
Spucktest auf Endometriose
Eine französische Arbeitsgruppe hat Daten aus der Studie ENDO-miRNA zur Genauigkeit des weltweit ersten Endometriose- Speicheltests veröffentlicht. Der Test beruht auf der Beobachtung, dass bei Patientinnen mit Endometriose die Expression bestimmter Mikro-RNAs (miRNAs) in betroffenen Geweben bzw. im peripheren Blut von der nicht erkrankter Frauen abweicht. Um also Endometriose-spezifische miRNAs zu finden, sammelten die Forschenden Speichelproben von 200 Frauen mit chronischen Unterbauchschmerzen – darunter 153 mit und 47 ohne Endometriose. Anhand einer Small-RNA-Sequenzierung identifizierten die Wissenschaftler 109 miRNAs, in deren Expression sich die erkrankten von den gesunden Probandinnen maximal unterschieden. Die Genauigkeit, mit der diese „diagnostische Signatur“ die Identifizierung von Patientinnen mit Endometriose erlaubte, war extrem hoch:
  • Die Sensitivität betrug 96,7 %.
  • Die Spezifität lag bei 100 %.
  • Es wurde ein AUC(area under the curve)-Wert von 0,86 erreicht.

Die Resultate zum ersten Endometriose- Speicheltest sind somit vielversprechend – müssen aber unter anderem wegen der kleinen Kontrollgruppe noch in einer externen Patientenpopulation validiert werden. Lassen sich die Ergebnisse bestätigen, könnte dies die Diagnose und den Therapiebeginn der Endometriose enorm beschleunigen.

Bendifallah S et al.: J Clin Med 2022; 11(3): 612

Frauen mit diaphragmaler Endometriose erkennen
Zwischen 0,19 % und 1,5 % der intraabdominalen Endometriose-Herde befinden sich am Zwerchfell. In einer zwischen 2006 und 2020 prospektiv durchgeführten Studie hat eine Forschungsgruppe vom Universitätskrankenhaus Bern die Charakteristika von Endometriose-Patientinnen mit und ohne Zwerchfellbefall verglichen. Unter den insgesamt 1.372 laparoskopisch untersuchten Patientinnen lagen bei 4,7 % diaphragmale Herde vor. Im Großteil der Fälle war die rechte Seite betroffen (92,3 %). Die Infertilitätsrate war bei den Frauen mit Zwerchfellbeteiligung etwa zweifach höher als bei denen ohne (58,2 % vs. 28,7 %). Auch die Inzidenz von fortgeschrittener Endometriose (rASRM III oder IV) war in der Gruppe mit diaphragmalen Herden extrem hoch (78,4 %). Hinsichtlich Dysmenorrhoe, Dyspareunie, Dysurie oder Dyschezie zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Jedoch präsentierte sich die Patientin mit Zwerchfellbefall typischerweise mit Schulterschmerzen.
 
Die Jüngsten haben die stärksten Schmerzen
Obwohl die ersten Symptome einer Endometriose meist schon im Jugendalter auftreten, erfolgt die Diagnose oft erst Jahre später. In einer Umfragestudie haben Mediziner vom Endometriosezentrum des Universitätsspitals Bern an 630 Frauen mit bestätigter Endometriose untersucht, inwiefern sich die Symptome jugendlicher Patientinnen von denen erwachsener unterscheiden. Sie konnten zeigen, dass die anhand der visuellen Analogskala (VAS) erhobene subjektive Schmerzintensität bei jungen Betroffenen unter 24 Jahren im Schnitt deutlich über der von älteren Patientinnen lag: Die VAS-Scores für Dyspareunie und Dysmenorrhoe waren bei den jungen Probandinnen signifikant höher (8,1 vs. 7; 4,8 vs. 3,3). Dieser Trend ließ sich zwar auch für die Dysurie, Dyschezie und nicht zyklische Beschwerden bestätigen, die altersabhängigen Unterschiede hinsichtlich der Schmerzstärke erreichten jedoch keine Signifikanz.
Die Daten unterstreichen die Bedeutung einer frühen Diagnose und Therapie der Endometriose, um einer Schmerzchronifizierung und einer langfristig verminderten Lebensqualität entgegenzuwirken. 
 
Uterusfehlbildung bei drei von vier Frauen mit Endometriose
In einer retrospektiven Studie beobachteten Gynäkologen des Evangelischen Klinikums Köln Weyertal eine hohe Prävalenz von Uterusfehlbildungen bei Frauen mit Endometriose. Für die Analyse hatten sie 279 Fälle einer Uterusfehlbildung, sowohl als Haupt- als auch als Nebendiagnose, auf Endometriose-Herde überprüft. Eine Selektion der Patientinnen fand nicht statt – es wurden alle Frauen mit Uterusfehlbildung untersucht, die zwischen 2014 und 2019 in die Klinik eingewiesen worden waren. Mit 94,2 % handelte es sich meist um eine nicht obstruktive Fehlbildung der Gebärmutter.
Bei drei von vier Frauen mit Uterusfehlbildung fand sich eine histologisch gesicherte Endometriose (74,9 %). Besonders hoch war die Prävalenz bei den wenigen eingeschlossenen Frauen mit obstruktiver Fehlbildung. Die Autoren empfehlen daher, bei uterinen Fehlbildungen – vor allem bei obstruktiven – gezielt nach Endometriose- Herden zu suchen.
 
Neurogene Entzündung könnte azyklische Schmerzen fördern
Einige Frauen mit Endometriose entwickeln auch unter einer Hormontherapie chronische Unterbauchschmerzen. Ein Grund dafür könnte die bei Endometriose- Patientinnen gesteigerte Sensibilisierung peripherer Nervenfasern sein. Zu diesem Schluss kam eine Arbeitsgruppe vom Endometriosezentrum der Charité Berlin. Die Forscherinnen hatten chirurgisch entfernte endometriale Läsionen immunhistochemisch angefärbt, um die Expression verschiedener Endometriose-assoziierter Nervenfasern und Nozizeptoren zu untersuchen. Unabhängig davon, ob die Frauen eine Hormontherapie erhielten oder nicht, fand sich im Vergleich zu nicht erkrankten Frauen eine höhere Dichte an sensiblen Nervenfasern, die wiederum signifikant mit der Stärke der Dyspareunie korrelierte.
Schon länger wird vermutet, dass neurogene Entzündungsmechanismen bei der Entstehung chronischer Unterbauchschmerzen im Rahmen der Endometriose eine Rolle spielen. Die in der Studie beobachteten aktivierten sensorischen Nervenfasern – Zeichen einer neurogenen Inflammation – bestätigen diese Hypothese.
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