Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2020

Gyn-Depesche 1/2021

Praxisrelevante Aspekte des Diabetes in der Schwangerschaft

Konotrunkale Herzfehler, Neuralrohrdefekte, Skelettanomalien – ein schlecht eingestellter Diabetes in der Schwangerschaft kann den Fetus schwer schädigen. Jedoch lassen sich die Risiken durch eine frühzeitige Intervention und eine engmaschige Betreuung senken. Über die aktuellen Empfehlungen und Fallstricke der Diabetestherapie in der Schwangerschaft berichteten Experten auf der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Gestationsdiabetes: Therapie entsprechend dem Risiko
Meist ist Gestationsdiabetes mellitus (GDM) nur mild ausgeprägt und lässt sich bei zwei von drei Frauen durch eine Lebensstiländerung managen. Wie aber lassen sich die Fälle identifizieren, bei denen ein besonders hohes Risiko für Mutter und Fetus besteht? Der Gynäkologe Dr. Jens Stupin von der Charité Berlin verweist bei dieser Frage auf die 2008 veröffentlichte Studie H APO: D iese h atte e rgeben, d ass d ie Wahrscheinlichkeit einer fetalen Makrosomie sowohl im subdiabetischen als auch im diabetischen Bereich linear mit dem maternalen Blutglukosespiegel steigt. Je schlechter also die Stoffwechseleinstellung der Mutter, desto höher scheint das Risiko für den Nachwuchs.
„Auch der BMI ist ein wesentlicher Faktor zur Differenzierung von Niedrig- und Hochrisikopatientinnen“, erklärte Stupin. Liegt zusätzlich zum GDM eine Adipositas vor, ist das Risiko einer fetalen Makrosomie zweifach höher als bei diabetischen Schwangeren mit Normalgewicht.
Je nach Risikokonstellation ist der GDM einer Therapie durch Ernährungsumstellung und Bewegung sowie bei Bedarf durch Insulin zugänglich. Werden die Stoffwechselziele durch die alleinige Lebensstiländerung nicht innerhalb von zwei Wochen erreicht, ist eine Insulin-Therapie indiziert. Das gilt auch bei nur grenzwertig erhöhten Blutglukosewerten, sofern der fetale Abdominalumfang (AU) über der 75. Perzentile liegt.
Die Leitlinie der DDG rät, die Blutzucker- Einstellungsziele entsprechend dem fetalen AU zu modifizieren. Demnach liegt der angestrebte Nüchtern-Glukosewert bei asymmetrischer Makrosomie mit 85 mg/ dl niedriger als bei einem fetalen AU im Normbereich (< 95 mg/dl). Bei einer intrauterinen Wachstumsretardierung ist der Grenzwert mit 105 mg/dl entsprechend höher angesetzt.
 
Präexistenter Diabetes: Fallstricke bei der Einstellung
Nur etwa 1 % aller Schwangeren ist von einem präkonzeptionell bekannten Diabetes betroffen. „Der betreuenden Gynäkologin oder dem Gynäkologen fehlt deshalb oft die tägliche Routine im Umgang mit diesen Patientinnen“, so Dr. Barbara Sawitzky- Rose, niedergelassene Diabetologin in Berlin. Um der Frau dennoch die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit spezialisierten Diabetologen und Geburtsmedizinern essenziell.
„Eine der wichtigsten Phasen ist die Vorbereitung auf die Schwangerschaft“, erklärt Sawitzky-Rose. Die Leitlinie der DDG empfiehlt eine präkonzeptionelle Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c-Wert unter 7 % für mindestens drei Monate. Risikofaktoren wie die diabetische Retinopathie sollten ebenfalls vorab abgeklärt werden. Im Idealfall findet noch vor der Empfängnis ein Beratungsgespräch zur Diabetestherapie während der Schwangerschaft statt, wobei eine Insulinpumpe sowie ein System zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) in Betracht gezogen werden sollten.
Hormonbedingt schwankt die Insulinsensitivität über den Verlauf der Schwangerschaft, weshalb die Patientin und idealerweise auch der Partner frühzeitig auf die Gefahr von Hypo- bzw. Hyperglykämien hingewiesen werden müssen. Bis zur 16. Schwangerschaftswoche (SSW) geht der Insulinbedarf um etwa 10 % zurück, steigt im zweiten Schwangerschaftsdrittel um häufig 50 bis 100 % an, sinkt etwa ab der 37. SSW wieder geringfügig und fällt nach Plazentalösung rasch ab.
Der empfohlene Glukose-Zielbereich liegt zwischen 63 und 140 mg/dl. Der HbA1c- Wert sollte entsprechend der DDG-Leitlinie alle vier bis sechs Wochen bestimmt werden und im Referenzbereich für Stoffwechselgesunde liegen. Ab Mitte des zweiten Trimenons ist alle zwei bis vier Wochen eine Feindiagnostik indiziert, um fetale Entwicklungsstörungen rechtzeitig zu erkennen.
Zuletzt verwies Sawitzky-Rose auf die vielfältigen Möglichkeiten der Telemedizin, die insbesondere die zeitintensive Betreuung einer Hochrisikoschwangerschaft erleichtern können. RG
ICD-Codes: O24.4

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